Besuch aus Argentinien

Florencia Rau ist für dies Schuljahr zu Gast an unserer Schule und besucht die 10. Klasse. Ihre ersten Eindrücke, vor allem von der Tour durch Deutschland, schildert sie hier:

Liebe Mitschüler.

Ich freue mich, hier an der Schule zu sein. Es gefällt mir hier sehr gut. Wie Ihr wisst, komme ich aus Argentinien. ich bin sechzehn Jahre alt. Ich kam im Juli nach Deutschland und werde nach diesem Schuljahr mit hoffentlich vielen neuen Eindrücken in meine Heimat zurückkehren. Schon in Argentinien habe ich ein wenig Deutsch gelernt. Ich verstehe schon recht viel, habe aber noch Probleme beim Sprechen. Deshalb brauche ich auch eure Unterstützung, denn es ist alles doch recht schwer für mich. Einige Schüler versuchen immer wieder, Englisch mit mir zu sprechen. Ich kann aber nur ganz wenig Englisch. Deshalb möchte ich doch bitte auf Deutsch angesprochen werden, aber bitte nicht so schnell sprechen. Ich bin jedem dankbar, der mich unterstützt, damit ich im Unterricht mitkomme.

Ich möchte jetzt von meiner Deutschlandreise berichten, die der Rotary-Club Emden mir ermöglicht hat.

Am Samstag, dem 27.September fuhren ca. 35 Austauschschüler aus den verschiedensten Regionen der Welt per Bus zunächst nach Köln. Dort haben wir den Dom besichtigt. Ich war überrascht von seiner Größe und Schönheit. Die Basílica de Nuestra Señora de Luján in der Nähe von Buenos Aires ist mit 104 Metern Höhe gut 50 Meter kleiner als der Kölner Dom. Von Köln aus sind wir dann nach Bonn gefahren, wo wir die erste Übernachtung hatten. Am nächsten Tag sind wir dann nach Heidelberg gefahren. Dort haben wir das Schloss besichtigt, das bereits im 12. Jahrhundert erbaut wurde. Leider habe ich dort nicht viel über das Schloss erfahren, weil es keine Führung gab. Ich habe dort einen Spaziergang durch die wunderschöne Parkanlage gemacht. Auch habe ich das größte Weinfass der Welt gesehen. Es fasst über 221.000 Liter.

Am 3. Tag führte uns die Reise dann nach Rothenburg ob der Tauber, eine wunderschöne mittelalterliche Stadt, die noch sehr gut erhalten ist. Die Stadt ist von einer hohen Stadtmauer umgeben und man kann durch richtige Tore oder kleinere Türen in die Stadt gelangen.

Nach einem Stadtrundgang fuhren wir weiter nach Eisenach. Dort haben wir die Wartburg besucht. Ich habe dabei erfahren, dass hier Martin Luther die Reformation begonnen hat, indem er seine Thesen dort veröffentlichte. Dort fand er auch später Unterschlupf vor dem Papst, der ihn verfolgte. Von hier aus begann auch 1848 die Revolution, die Deutschland später in die Demokratie führen sollte.

Der nächste Reiseabschnitt führte uns in die jüngere Geschichte Deutschlands, und zwar in ein sehr dunkles Kapitel, nämlich nach Buchenwald. Als ich das erste Mal vom Konzentrationslager Buchenwald hörte, wollte ich die Geschichte darüber nicht glauben. Dort habe ich dann aber die Geschichte hautnah gespürt und gesehen. Das war für mich vorher nicht vorstellbar, dass dort viele Menschen auf unterschiedliche Art von der Staatsmacht ermordet wurden. Die Stimmung im Bus bei der Weiterfahrt nach Berlin war danach sehr bedrückt. Es gab dabei keine Diskusion. In Berlin waren wir 2 Tage. Hier haben wir noch mehr über die Deutsche Geschichte erfahren. Bei der Besichtigung des Brandenburger Tores und des Holocaust-Mahnmals wurde uns die Nazi-Zeit und die Judenverfolgung erklärt. Die Teilung Deutschlands konnten wir an einem Relikt der Berliner Mauer Ansatzweise nachempfinden.

Beim Besuch des Reichstages fiel mir auf, dass das neue Deutschland sehr bewusst mit seiner Vergangenheit umgeht. Im Reichstagsgebäude gibt es viele Graffiti und Inschriften in russischer Sprache. Sie stammen von russischen Soldaten und zeigen die Wut und den Hass der Russen auf Deutschland während und nach dem Krieg. Dennoch wurden die Inschriften nicht beseitigt. Sie sollen ewig mahnen. Die Zeit war viel zu kurz in Berlin, um alle wichtigen Ziele zu besichtigen.

Der letzte Tag unserer Reise führte uns noch in die Autostadt Wolfsburg. Es war sehr interessant zu sehen, wie die neuen Autos in zwei Glastürmen vollautomatisch gestapelt werden, bevor sie von den Kunden abgeholt werden. Beeindruckend war auch das Ohren betäubende Aufheulen eines an der Wand hängenden, über 500 PS starken Lamborghini.

Obwohl die Reise sehr anstrengend war, fand ich sie doch wunderschön und hoch interessant.

Florencia Rau