„Exodus 1947“-Überlebende und – Nachkommen besuchten Emden: 46 Israelis reisten auf den Spuren der Geschichte des legendären Schiffes

Ein außergewöhnlicher Besuch: Anfang September besuchten 46 Gäste aus Israel Norddeutschland, um nach Spuren der „Exodus 1947“ zu suchen. Das legendäre Schiff, das eigentlich den Namen President Warfield trug, ging in die Geschichte ein, denn im Jahre 1947 führten die Ereignisse um den einstigen Vergnügungsdampfer zu weltweitem Aufsehen: Das Schiff, das ursprünglich für 400 Passagiere gebaut worden war, war nach dem Zweiten Weltkrieg von einer jüdischen Untergrundorganisation gekauft worden, um Überlebende des Holocaust von Frankreich nach Palästina zu bringen. Um möglichst vielen Menschen die Überfahrt zu ermöglichen, waren Zwischendecks eingezogen worden, sodass sich letztlich 4500 Flüchtlinge an Bord des eigentlich schon schrottreifen Dampfers auf den Weg nach Haifa machten. Doch dort wurde dem Schiff, das auf dem Mittelmeer in „Exodus 1947“ umbenannt worden war, die Einreise verweigert: Die britische Mandatsmacht fürchtete, dass eine weitere Einwanderung von Juden zu einer Verschärfung der Situation in Palästina führen könnte und ging deshalb brutal gegen die Einreisewilligen vor. Neben zahlreichen Verletzten starben vier Menschen bei dem Versuch, das Schiff zu entern, bis der Widerstand aufgegeben wurde.

Auf drei anderen Schiffen wurden die Flüchtlinge zurück nach Europa gebracht: Nachdem sie sich geweigert hatten in Frankreich von Bord zu gehen, wurden sie schließlich nach Hamburg gebracht, also ausgerechnet in das Land, das für den Holocaust verantwortlich war. Von dort ging es in Barackensiedlungen in der Nähe Lübecks, bis schließlich der bevorstehende Winter die Suche nach einem witterungsfesten Quartier unumgänglich machte. Gefunden wurde dies in Emden und Sengwarden bei Wilhelmshaven: Während große Teile der Innenstadt zerstört waren, war die Kaserne unversehrt und neue Heimat für etwa 3000 Menschen. Die restlichen 1500 Passagiere wurden nach Sengwarden gebracht, wo die Marine-Kaserne ebenfalls intakt geblieben war.

All diese Orte standen auf dem Programm der Gäste, unter denen sich auch 18 Personen befanden, die als Kinder auf dem Schiff oder in den Lagern gelebt hatten. Unter ihnen befand sich auch der 84-jährige Aharon Dishon, der dem Holocaust und einem Arbeitslager in Sibirien knapp entronnen war. „Ich kann mich mich noch genau an die Trümmer der Stadt erinnern, in der nur die Bunker heil geblieben waren“, so Dishon.  Er erzählte seine Geschichte im Rahmen eines Empfanges, der anlässlich des Besuches der Exodus-Gruppe im Rummel des Emder Rathauses ausgerichtet worden war. Oberbürgermeister Bernd Bornemann hob in seiner Rede die besondere Bedeutung des Schicksals des Schiffes hervor, das letztlich zu Gründung des Staates Israel beitrug. Erst in den letzten Jahren sei diese fast vergessene Geschichte wieder ins Bewusstsein der Emder zurückgekehrt und zu einem Thema geworden, welchem sich das Max-Windmüller-Gymnasium und die BBS II angenommen haben.

War als 12-jähriger in Emden: Aharon Dishon

Ganz in diesem Sinne begleiteten 15 Schülerinnen und Schüler beider Schulen, die bereits am Empfang teilgenommen hatten, am Freitag die die Gruppe nach Sengwarden. Dort wurde in der Dorfmitte durch Cwi Chatkewicz eine Gedenkstele enthüllt, der in Wilhelmshaven am 29.11.1947, dem Tag des UN-Teilungsbeschlusses, geboren wurde.  Sichtlich bewegt schilderte Chatkewicz, dass er als Kind seine ersten acht Lebensmonate in der Kaserne verbracht hatte, bevor seine Eltern mit ihm in das inzwischen gegründete Israel ausreisen konnten. Diesen Ort besichtigte die Gruppe im Anschluss und auch dort wurde eine Gedenktafel enthüllt, die zukünftig in der immer noch in Betrieb befindlichen Kaserne an ihre besonderen Gäste erinnern soll.

Begleiteten die Gruppe nach Sengwarden: Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 9-12

Den Abschluss der Reise bildete ein Besuch der Exodus-Erinnerungsorte in Emden: Am Sonnabend begab sich die Gruppe auf den Jüdischen Friedhof, um an den Gräbern zweier Männer, die während der Lagerzeit in Emden gestorben waren, das Kaddisch zu sprechen. Im Anschluss daran besuchten die Israelis die ehemalige Emder Kaserne: Nach einer kurzen Zeremonie an der 2016 eingeweihten Gedenktafel besichtigten die Gäste den Block „Ostfriesland“, der inzwischen ein Appartementhaus beherbergt. Trotz der großen Veränderungen seit 1948 erkannten einige der ehemaligen Lagerbewohner den Ort wieder, der nach einer langen Zeit von Angst und Entbehrungen zum ersten Mal wieder das Gefühl eines Zuhauses vermittelte: „Hier konnten wir zur Ruhe kommen und uns auf unsere Reise nach Israel vorbereiten“, berichteten die Emder Exodus-Bewohner.

In der ehemaligen Kaserne: die Emder Exodus-Flüchtlinge.

Immer wieder bekamen die Schülerinnen und Schüler Eindrücke von der heute kaum glaublichen Geschichte der Exodus-Passagiere: „Für mich war dieses Projekt etwas ganz Besonderes, das ich nie vergessen werde“, sagte Max-Schülerin Malin Rehage (Jg. 11). „Auf die Herzlichkeit, mit der ich begrüßt und verabschiedet wurde, werde ich immer gerne zurückblicken, und auch die Erfahrungen, die die Exodus-Überlebenden mir anvertraut haben, werden mir besonders in Erinnerung bleiben.“