Unsere ehemalige Schülersprecherin Stina Wrede aus dem Abiturjahrgang 2016 arbeitet im Moment im Frauenhaus von Guayaquil in Ecuador. Dort hat sie mit der Bewohnerin Maria Lourdes ein vom Max-Windmüller-Gymnasium unterstütztes Projekt ins Leben gerufen, mittels dessen sich die junge Mutter ein neues Leben aufbauen möchte, wie Stina schildert:
Proyecto bolsos im Frauenhaus von Guayaquil
Nachdem ich Ende Juli in Guayaquil angekommen war, habe ich Anfang August im Casa Acogida zu arbeiten angefangen, einem Frauenhaus.
Das Leben hier ist vom Ein- und Ausgehen der Frauen mit ihren Kindern geprägt. Diese kommen aus schwierigen Familienverhältnissen mit Gewalt- und Alkoholproblemen. Deshalb finden die Frauen hier erst einmal einen sicheren Ort, an dem sie zur Ruhe kommen und sich sammeln können. Sie verbringen den ganzen Tag im Frauenhaus und beginnen nach einiger Zeit, sich in den Alltag einzubringen: Dazu gehören vor allem die ganz allgemeinen Haushaltsarbeiten – es muss gewaschen werden, geputzt, gefegt, gekocht und anderes.
Unterstützt wird die Arbeit im Frauenhaus von so genannten Voluntarios, freiwilligen Helfern, die herkommen, um sich in diesen Alltag einzubringen oder um ein eigenes Programm durchzuführen.
Das ist die Brücke zu meinem Taschenprojekt:Als ich ankam, waren bereits zwei amerikanische Voluntarios für die nachmittägliche Kinderbetreuung zuständig. Für mich war klar, dass ich mit den Frauen arbeiten wollte, sofern dies eines meiner Einsatzgebiete werden sollte. Ich stellte mir also die Frage, was ich tun konnte, um mit ihnen etwas Hilfreiches und Schönes zu machen.
Sehr schnell fiel die Wahl auf die Herstellung von handgefertigten Produkten, deren Fertigung viele Vorteile mit sich bringen würde. Schön entspannt mit Musik und in Gespräche vertieft zusammenzusitzen, am Anfang kreativ und später vor allem produktiv an Taschen oder Kosmetikbeuteln zu arbeiten, welche im Endeffekt schließlich Einnahmen bringen sollten – die Vorstellung von einem solchen Projekt war mir sehr sympathisch und überzeugte auch einige der Frauen, die sich deshalb daran beteiligen wollten.
Es ging also los! Am ersten Treffen, bei dem die Vorstellung und Einführung in das Projekt stattfand, nahmen etwa fünf Frauen teil. Beim nächsten Mal kamen die ersten Stoffe ins Spiel – wir überlegten jeweils einzeln, beratschlagten anschließend zusammen, welche Modelle an Taschen oder Kosmetikbeuteln wohl am besten geeignet für eine weitere Produktion wären. Hier spielten die Aufwendigkeit der Produktion, das Stoffdesign, das Stoffmaterial, die Frage, ob mit Nähmaschinen oder per Hand gearbeitet werden muss und die Materialkosten eine wichtige Rolle.
Zudem wurde es nun auch wichtig zu klären, wo wir die Sachen verkaufen würden: Wir alle kennen deutsche Weihnachtsmärkte und die dazugehörige Kauflust. Somit freundeten sich die Frauen schnell mit dem Gedanken an, unsere Handarbeiten nach Deutschland auf den Weihnachtsmarkt zu bringen.
Wir konnten also losgehen und Reißverschlüsse, Farben, Pinsel und natürlich Stoff kaufen, der nun darauf wartete vernäht zu werden. Zunächst einmal mussten wir allerdings alle lernen mit der Nähmaschine zu nähen, da die Produktion der Jutebeutel sonst nicht möglich gewesen wäre. Die Kosmetikbeutel hingegen, so entschieden wir uns, sollten alle per Hand genäht werden.
Bei Musik und stockenden spanischen Gesprächen kamen nicht nur die ersten Handarbeiten zustande, sondern es entstanden auch immer engere und vertraute Beziehungen zueinander.
Bald stellte sich heraus, das Maria Lourdes das Projekt absolut für sich entdeckt hatte: Sie begann auch nach den „regulären“ Arbeitszeiten noch weiterzunähen. Unterstützt wurde sie von Maria Fernanda, die gerne ab und an mithalf, jedoch immer viel mit ihren Zukunftsplanungen zu tun hatte. Die anderen Frauen im Frauenhaus waren hingegen bis zum Zeitpunkt des Einkaufs aus unterschiedlichen Gründen abgewandert.
So wurde das ursprünglich größer geplante „Proyecto bolsos“ zum Mini-Unternehmen von Maria Lourdes, die nun selbst entscheiden konnte, wie viel sie außerhalb und nach der „Bestellung“ des Max-Windmüller-Gymnasiums nähen wollte.
Mit der Zeit entwickelte sich Zeitdruck, da die Produktion doch viel Arbeit mit sich brachte und das Lieferdatum näher rückte. Auf die Post Ecuadors ist eher weniger Verlass und somit entschieden wir uns dafür, meinem Mentor die fertigen Handarbeiten bei seinem Besuch in Guayaquil mitzugeben … Listo!
Der Druck fiel mit der Übergabe der Taschen ab, die Motivation zum Nähen ist bis heute geblieben.Momentan nähen Lourdes und ich für Feiertage der größeren Organisation Hogar de Cristo -andere Stoffe, gleiche Modelle. Neue Verkaufsstrategien müssen wir entwickeln, was in Guayaquil nicht zu den einfachsten Aufgaben gehört. Aber es ist nicht unmöglich, was Lourdes mir manchmal mehr eintrichtern muss als ich ihr. Eine schöne Freundschaft hat sich zwischen uns entwickelt, companeras y amigas somos ahora.
Wie sich die Zukunft für uns beide entwickelt, wissen wir noch nicht. Lourdes weiß jedoch, wofür sie tagtäglich und teils nächtens neben der Kinderbetreuung näht: für das Leben nach dem Frauenhaus. Die Einnahmen, die sie durch dieses Projekt einnehmen wird, sind Teil ihres Neustarts – für ihren und den ihrer zwei Kinder.Wir hoffen auf eine erfolgreiche Verkaufsarbeit in Deutschland und ebenso für uns in Guayaquil!
Gracias a todos!
Maria Lourdes y Stina