Sophie zum Bruch verbrachte das Schuljahr 2013/2014 in Mafra, im Süden Brasiliens.
„Ein Jahr habe ich im Süden Brasiliens verbracht, in Mafra, einer 100.000 Einwohnerstadt in ziemlicher Strandnähe.
Am 31. August 2013 ging es los, Bremen-Frankfurt-Sao Paulo-Curitiba mit riesiger Aufregung im Gepäck, mit null Sprachkenntnissen am anderen Ende der Welt total aufgeschmissen. Dachte ich.
So schlimm wie anfangs ausgemalt wurde es aber gar nicht, die ersten Monate sollten zu den spannendsten und schönsten Monaten meines Lebens werden.
Da ich in Santa Catarina gewohnt habe, dem Bundesstaat mit den meisten Deutschen überhaupt in Brasilien, war der Kulturschock nicht ganz so groß, man kann Lebensstandard und die gesamte Umwelt trotzdem nicht mit Deutschland vergleichen. Es gab so viele Umstellungen für mich, was anfangs und auch phasenweise das ganze Jahr über echt nicht einfach war, das Klima, Essen, Mentalität, Schule, Traditionen, einfach alles. Trotzdem war ich froh, in einer relativ kleinen Stadt gewohnt zu haben, weil ich so viel Armut, Dreck, Verkehr und unendlich graue Hauserblocks in den Großstädten gesehen habe.
Meine Schule war eine sehr kleine Privatschule mit ungefähr 200 Schülern, das ganze System war dort sehr streng aber auch sehr gut organisiert. Zum Beispiel haben wir auch eine Klassenfahrt nach Sao Paulo gemacht, was wirklich kein Katzensprung war (11-12 Stunden Busfahrt). Meine Klassenkameraden waren alle superlieb und ich hatte absolut keine Probleme mich dort einzufügen, was auf jeden Fall am Charakter der Brasilianer liegt, wie man immer hört sind südamerikanische Menschen sehr viel offener, fröhlicher, kontaktfreudiger und hemmungsloser als so manche Europäer.
Bei der nicht-kommerziellen Organisation Rotary ist es Teil des Austauschprogrammes, in der Zeitspanne eines Jahres drei Gastfamilien zu haben, nach jeweils 3-4 Monaten wird gewechselt. Dadurch haben die Austauschschüler die Möglichkeit, das Land auf drei verschiedenen Ebenen kennenzulernen, sich besser anzupassen und wenn es einem nicht gefallen sollte, nicht ein Jahr in der gleichen Familie bleiben zu müssen. Durch diesen Wechsel habe ich noch viel mehr über die Kultur des Landes gelernt, alle drei Familien hatten andere Ansichten und finanzielle Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten.
Während meine erste Familie eher an der unteren Grenze zur Armut gelebt hat, war meine zweite Familie sehr reich, die dritte solider Mittelstand. Unabhängig davon waren alle Familien sehr, sehr freundlich und aufgeschlossen und haben mir im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr viel gezeigt. Was mir aber bei jeder Familie zu den Ohren raushing, Reis mit Bohnen. In Brasilien gilt die Faustregel: je reicher die Familie, desto mehr Beilagen gibt es dazu. Es findet keiner auch nur irgendwie merkwürdig, jeden Tag ungelogen das gleiche zu essen, auch in allen Restaurants ist das Pflicht. Ich habe mich so sehr wieder auf normales Essen in Deutschland gefreut!
Ich hatte sehr viel Glück, quasi das ganze Land bereisen und kennenlernen zu können, was leider weniger als 10 Prozent der Brasilianer in dem Maße jemals machen werden. Zum einen fehlt das Interesse an ihrem eigenen Land, man merkt eine ziemlich starke Abneigung des Südens gegenüber des Nordens („wir haben hier doch alles, was sollen wir woanders? In den Norden vielleicht? nur Armut und es stinkt“) sowie die finanziellen Möglichkeiten. Reisen ist in Brasilien Luxus, den sich nur die absolute Oberschicht leisten kann. Ich habe fast jeden Bundesstaat gesehen (Brasilien ist 25-mal so groß wie Deutschland und es gibt keine Züge und nur sehr schlecht ausgebaute Straßen, Reisen dauert!!!!). Vom Nordosten mit den Traumstränden bis zu den Großstädten wie Rio de Janeiro, Sao Paulo, Salvador, Brasilia, Natal, Maceio und noch viele mehr bis zum Amazonasgebiet, das wir 10 Tage lang auf einem Boot befahren haben, nur mit Hängematte und dem Nötigsten ausgestattet. Von den größten Wasserfällen der Welt im Dreiländereck Paraguay, Argentinien, Brasilien bis zur tollen Küste in den südlichen Bundesstaaten sowie der deutschen, bekannten Stadt Blumenau in meinem Bundesstaat. Außerdem habe ich den berühmten brasilianischen Karneval miterlebt, mich mit Austauschschülern aus aller Welt verkleidet und auf den Straßen getanzt – wie Brasilianer.
Kurz gesagt – ich kann es jedem einzelnen nur empfehlen, ein Auslandsjahr zu machen. Man erlebt so viel neues, was man niemals in seinem Leben vergisst, man lernt viel über sich und seine Mitmenschen und man wächst über sich hinaus. Es war wirklich das beste Jahr meines Lebens, trotz Höhen und Tiefen.“
Sophie zum Bruch