Wann haben Sie sich das letzte Mal mit einem Lobbyisten getroffen und wer hat gezahlt? Erwarten Sie nach dem Brexit weitere Austritte aus der EU? Was halten Sie von US-Präsident Trump? – Diesen und vielen weiteren Fragen hat sich am Montag der EU-Abgeordnete Tiemo Wölken am Max-Windmüller-Gymnasium anlässlich des Europatages gestellt. Knapp 90 Minuten befragten die Zehntklässler des Gymnasiums den SPD-Politiker, der seit November 2016 als Nachrücker für Matthias Groote im EU-Parlament sitzt.
Trotz seiner jungen Jahre – Wölken zählt angesichts seines Alters von gerade einmal 31 Jahren zu den jüngsten Parlamentariern – wurde deutlich, dass er mit Leidenschaft bei der Sache ist. Nach dem erfolgreichem Abschluss seines Jura-Studiums hat der gebürtige Otterndorfer deshalb jetzt erst einmal seine berufliche Zukunft als Anwalt zurückgestellt, um in Straßburg und Brüssel zu arbeiten: „Ich habe da jetzt einfach Bock drauf!“
Am Beispiel des Geo-Blockings, der Beschränkung der Nutzung von Online-Angeboten auf bestimmte Staaten, erläuterte Wölken die Komplexität der Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene. Es gäbe eine Reihe von unterschiedlichen Interessengruppen, die einer europaweiten Freigabe von im Internet verfügbaren Diensten nicht ohne Weiteres zustimmen würden: „Hier gilt es zunächst, die verschiedenen Seiten zu hören, um zu einer guten Lösung zu kommen, die uns einem digitalen Binnenmarkt näher bringt.“
An vielen Stellen des Gespräches zeigte sich Wölken als Verfechter der europäischen Idee, wenngleich er immer wieder auch Kritik äußerte: So sorge die Agrarpolitik der EU dafür, dass billiges Hähnchen den afrikanischen Markt überschwemme, wodurch wiederum dortigen Produzenten die Lebensgrundlage entzogen werde. Auch belaste das Dublin-Abkommen die Mittelmeer-Staaten sehr ungleich, vor allem Italien und Griechenland seien stärker betroffen als andere Staaten. „Hier müssen Verträge wieder besser eingehalten werden“, sagte Wölken und forderte mehr Zuverlässigkeit und europäische Solidarität.
Trotz aller Kritik an vermeintlich überbordender Bürokratie, langwierigen Gesetzgebungsverfahren und uneinheitlichen Positionen erteilte Wölken populistischer Kritik an Europa eine klare Absage. Die große Bedeutung Europas als Friedensprojekt sei ihm gerade im Rahmen einer Reise nach Polen wieder klar geworden, da dort die Sorge um den Frieden deutlich größer als bei uns sei. Nicht nur deshalb warb er vor den Max-Schülern für politisches Engagement: „Wir leben in spannenden Zeiten, die wieder deutlich politischer werden.“