Linksextremismus im Blick – Unterschätzte Gefahr?

(Prolog)

Rechtsradikalismus bis hin zu Extremismus ist mal wieder ein großen Thema in Deutschland. Die AfD macht eine Schlagzeile nach der anderen und gewinnt immer mehr Wähler dazu. Aber vor allem gewinnen die Rechten immer mehr an Aufmerksamkeit, was immer mehr von der Gegenseite ablenkt, diese stärkt und sie unberechenbarer macht: Linksextremismus.

Deshalb hat es sich die Stiftung HSH der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zur Aufgabe gemacht aufzuklären, über diese eher unterschätzte Gefahr, welche vom Linksextremismus ausgeht, durch eine Jugendbildungswoche. Finn und ich haben an dem diesjährigem Workshop teilgenommen und sind für vier Tage nach Berlin gefahren, um uns mit dem Thema Linksextremismus und Demokratie auseinander zu setzen.

(Bericht)

Nach Ankunft und Kennenlernen ging es am nächsten Tag direkt los mit der S- und U-Bahn nach Neukölln und Friedrichshain. Stadtviertel, die bekannt sind als linke Brennpunkte.

Wir bewegten uns in Neukölln, Herfurth/Ecke Weisestraße und sollten Ausschau halten nach linken Anzeichen. Und die waren unübersehbar. An jeder Straßenlaterne, jedem Stromkasten oder Hauswänden befanden sich Sticker, Poster und Graffitis, die eine deutlich Sprache sprechen: Der Ort wird belebt durch eine linke Militanz.

„Antifa Area“ steht auf einem Poster, gleich darunter das Logo der „RAF“. Dazu Werbung für linke Parteien, Organisationen und antifaschistische und antikapitalistische Demonstrationen. Vor allem Gentrifizierung ist ein großes Thema in dem Viertel: „Besetzen! Enteignen! Investoren verjagen!“ Unterzeichnet mit Nachbar*innen aus dem Kiez. So wird hier ein wichtiges Thema und Problem für linke Strukturen radikalisiert. Es ist ein Aufruf zum Kampf.

Die Einblicke und Begegnungen in Neukölln zeigen deutlich: Linksradikalismus und Linksextremismus sind präsent – nur in Emden beispielsweise bekommt man davon nicht viel mit.

Eine direktere Begegnung mit Linksradikalismus hatten wir – ironischerweise – durch unseren Zimmerpartner, Torre. Ein 18-jähriger, junger Mann mit langen Haaren, meist trug er T-Shirts von Punkrockbands. Auch er nahm an der Jugendbildungswoche teil und vertritt allerdings sehr stark linksorientierte Ansichten. In der Gruppe war er damit nicht der Einzige.

An ihm lässt es sich gut festmachen, wo Extremismus anfängt und ihn vom Radikalismus unterscheidet. So stellte Torre die Frage in die Runde, wie unser anarchistischer Traumstaat aussähe. Wir mussten stocken – so einen Staat wollen wir gar nicht. Des Weiteren rechtfertigte er sich häufig in den Seminaren für linke Militanz, allerdings ohne die Gewalt zu verherrlichen. Von ihm kamen auch Aussagen, man müsse den Kapitalismus abschaffen. Aber auf die Frage der Umsetzung gab es keine klare Antwort.

Solche einfachen Floskeln sind typisch für linke Mobilisierung. Nur sind sie meist ohne Inhalt.

Sogar das Gespräch mit einem Aussteiger aus der linksautonomen Szene, der sehr schlecht über diese sprach, hinterließ keine bemerkbare Veränderung an Torres Haltung. Er hat sich verständnislos auf seine Meinung radikalisiert.

Grundlagen einer politisch extremistischen Haltung ist der Wille, den Verfassungsstaat in seiner Form, mit allen Dingen, die für uns unseren demokratischen Rechtsstaat ausmachen und wofür wir ihn schätzen, zu zerstören oder radikal zu verändern. Meist einhergehend mit Gewalt und Terror. Extremisten wenden sich gegen das Grundgesetz, sie sind staatsfeindlich. Das ist Torre nicht – aber ob er das Potenzial dazu hat?

Wenn man erst mal in der linksextremen Szene drinnen ist und dazu gehört, ist es sehr schwer dort wieder heraus zu kommen. Man erschaffe sich sein eigenes Weltbild, beschreibt es der Aussteiger, so rechtfertigte man dann seine Straftaten. Maskiert auf die Demo, mit Steinen schmeißen und gegen die Polizei hetzen. „Bullenschweine“ wurden sie nur noch genannt – der Individualität entraubt. Sie kämpfen für den Anarchismus, doch ihre Organisationen sind genauso hierarchisiert.

Neben dem Aussteiger sitzt ein Polizist. Sie kennen sich und haben schon mehrere solcher Gesprächsrunden zusammen durchgeführt. Auch er hat Erfahrung mit solchen linken Randgruppen. Er war im Einsatz beim G20-Gipfel in Hamburg 2017. Tritte in den Rücken und fliegende Steine waren keine Seltenheit. Befragte er nach der Festnahme einige Täter, bekam er immer die Antwort, durch seine Schutzuniform spüre er ja nichts. Das spiegelt einmal mehr das verblendete Weltbild dieser Leute wieder, welches in ihrem Kopf festsitzt.

Der Aussteiger hat es geschafft herauszukommen, dank einer schlauen Lebensgefährtin, die ihm Ablenkung durch einen Hund besorgte, so dass er immer weniger Zeit hatte zu Demonstrationen und Treffen zu gehen und viel Lesen hat ihm geholfen. Heute klärt er darüber auf.

(Epilog)

Linksextremismus ist nicht besser oder schlechter als Rechtsextremismus. Vergleicht man beide Ideologien fällt auf, dass sie sich in vielen Punkten überschneiden, außer in ihrem Kerngedanken. Sie stärken sich sogar gegenseitig, was man gut daran sehen kann, dass die Gefahreneinschätzung dem Linksextremismus gegenüber milder ausfällt. Und da muss man aufpassen, denn auch die momentane Bewegung „fridays for future“ wird auch bekanntlich als Plattform von linken Randgruppen missbraucht, um für ihre Zwecke zu mobilisieren. Deshalb sollte man auch bei solchen Demonstrationen reflektiert teilnehmen, um nicht unterschwellig denen zugeordnet zu werden.

So ist es unsere Aufgabe, beiden Formen des Extremismus entgegenzuwirken, um Demokratie leben zu können.

Text: Lukas Kleinert, 11a