Eine besondere Reise liegt hinter der Zwölftklässlerin Sarah Nour el Din und Max-Lehrer Jochen Scheuermann: Die beiden Emder gehörten zur deutschen Delegation von Schülern und Lehrern, die am Euro-Arabischen Dialog (EAD) im Libanon teilgenommen haben. Diese von der UNESCO organisierte Veranstaltung fand in Beirut, der Hauptstadt des kleinen vorderasiatischen Landes, statt. Dort kamen Deutsche mit Vertretern aus Jordanien, Tunesien und dem Gastgeberland Libanon zusammen, um sich über die neuen Sustainable Development Goals, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, auszutauschen. In diesem Zusammenhang stellten die Teilnehmer unterschiedliche eigene Projekte vor, welche zur Entwicklung neuer Projekte inspirieren sollte.
Hier berichtet Sarah von der Reise:
Schon der Hinflug, bzw. die Anreise war interessant. An den Flughäfen kamen die deutschen Schüler nach und nach zusammen. Erfreulicherweise verstanden wir uns alle auf Anhieb gut und hatten deshalb schon auf der Hinreise viel Spaß. In Beirut angekommen standen wir erstmal eine gefühlte Ewigkeit bei der Passkontrolle am Flughafen. Wir waren alle müde und hungrig, aber auch gespannt auf die kommenden Tage. Endlich im Convent, einem ehemaligem Kloster, angekommen, gab es erstmal eine warme Mahlzeit. Leider waren die Schüler der anderen Schulen entweder schon viel früher oder noch gar nicht da, sodass wir beim ersten Abendessen noch ganz unter uns Deutschen waren.
Nach dem Essen haben wir unsere Zimmerschlüssel bekommen, bei welchen es sich um Einzelzimmer sogar mit eigenem Badezimmer handelte. Aber noch durften wir uns nicht ausruhen. Kurz nach dem Beziehen unserer Zimmer fand die Eröffnungszeremonie statt, in der wir dann auch das erste Mal auf die Schüler und Lehrer der anderen Schulen aus dem Libanon, Tunesien und Jordaniens trafen. Mit ein paar einleitenden Worten begrüßten uns die Bundeskoordinatoren Deutschlands und des Libanons, danach lernten wir uns mit einigen „Ice-breaking-activities“ gegenseitig kennen. Aber da wir alle von der Anreise müde und erschöpft waren, beließen wir es für den Mittwoch erstmal dabei und wir wurden in den Abend entlassen. Manche gingen direkt schlafen, andere blieben noch wach, um sich noch mit den anderen Schülern bekannt zu machen und den Abend zusammen zu verbringen.
Am nächsten Tag ging es früh los. Von 8 – 9 Uhr gab es Frühstück und dann gingen auch schon die Workshops los. Für den ersten Tag waren ein gemischter Lehrer-Schüler-Workshop und die erste Runde der Projektvorstellungen vorgesehen. Im Workshop wurden wir in gemischte Gruppen eingeteilt, in denen wir eine Art Stationenlernen machen sollten. Es gab fünf Stationen: Bei der ersten ging es um das Thema „Global Citizenship“, also Welt-Bürgerschaft. Wir haben darüber diskutiert, was es für uns bedeuten würde in einer grenzenlosen Welt und Gesellschaft zu leben. Die zweite Station thematisierte das Thema Kultur und inwiefern diese einer grenzenlosen und weltoffenen Gesellschaft im Weg stehen könnte. Danach ging es um das Thema Energie, und wie abhängig bzw. unabhängig der Mensch eigentlich davon ist. Es wurde z.B gefragt, ob wir es uns vorstellen könnten ganz ohne (elektronische) Energie auszukommen, wobei die Meinungen weit auseinander gingen. Die vorletzte Station stellte das Thema Nachhaltigkeit zur Diskussion und wir konnten darüber reden, was unsere „ökologischen Fußspuren“ sind und welche Auswirkungen diese auf unsere Umwelt haben. Hierbei wurde deutlich, dass es ganz stark auf die Möglichkeiten ankommt, die man in seinem Land hat, wie nachhaltig man zum gegebenen Zeitpunkt handeln kann. Die fünfte und letzte Station hieß „Walk and Talk“, wobei man in Bewegung über ein gewähltes Thema der 17 UNESCO-Ziele diskutieren sollte. Eine Gruppe hatte sogar die Möglichkeit kurz in die Stadt zu fahren, aber da es am Donnerstag leider regnete, blieben die meisten Gruppen innerhalb des Convents. In meiner Gruppe haben wir das Thema „Education Equality“ ausgewählt und interessanterweise haben in vor allem dieser Diskussionsrunde die Schüler dominiert: Die Lehrer wurden mit unseren Meinungen konfrontiert und gewagte Thesen wurden aufgestellt. Dies war der erste Teil des Tages.
Am Abend haben dann die ersten ihre Projektideen vorgestellt. Viele Projekte thematisierten Integrationsmöglichkeiten für Flüchtlinge, zum Beispiel ein Kochprojekt mit Flüchtlingen oder ein Schulprojekt, bei dem den Teilnehmern jeweils eine Person einer anderen Nationalität zugeteilt wird und diese zusammen verschiedene Aufgaben erledigen, und über diese berichten müssen. Es wurden des weiteren Projekte zu den Themen „Gender Equality“, elektronischer Müll (unser Projekt), Luftverschmutzung in geschlossenen Klassenräumen, Naturerhaltung und nochmal Bildungschancen vorgestellt. Die weiteren Projekte sollten am nächsten Abend vorgestellt werden.
Der zweite Tag sah getrennte Workshops für Lehrer und Schüler vor. Die Lehrer sollten über den Klimawechsel und die Frage diskutieren, wie man sich als ganze Schule damit beschäftigen und dagegen einsetzen kann. Zusammen mit den zwei deutschen Studenten Finn und Philip gingen die Schüler derweil für den ersten Workshop nach draußen. Das Thema war Demokratie und Totalitarismus, wofür man in kleinen Gruppen erstmal Definitionen erarbeiten sollte. Diese verglichen wir dann in der großen Runde und machten die beiden Staatsformen an Beispielen deutlich. Schnell kamen wir darauf zu sprechen, dass es noch viele weitere Staatsformen gibt und in der nächsten Aufgabe sollten wir diese zwischen Demokratie und Totalitarismus mit den jeweiligen Tendenzen platzieren. Auffällig war das Beispiel Kommunismus, denn daran wurde deutlich, dass die Platzierung ganz stark davon abhängt, wie man eine Staatsform betrachtet, nämlich von der Theorie oder der Praxis. Nachdem wir viele weitere mögliche Staatsformen besprochen und eingeteilt hatten, fragten die Projektleiter jeweils wann Deutschland sich wo befunden hat. Hierbei war es ein wenig unbedacht, dass nur ca. ein Viertel der Schüler Deutsche waren, und alle anderen natürlich mit dem Geschichtswissen und genauen Daten nicht viel anfangen konnten. Danach wurden uns Länder zugeteilt, und wir sollten schätzen, wo diese sich zwischen Demokratie und Totalitarismus befinden. Die meisten von uns konnten dies relativ gut einschätzen und die beiden Leiter sagten uns dann, dass anhand der Daten von 2015 Norwegen der „demokratischste“, und Nordkorea der „undemokratischste“ Staat der Welt sei. Hiermit schlossen wir den ersten Workshop ab.
Nach einer kurzen Kaffeepause ging es dann mit dem zweiten, weitaus interaktiveren Workshop weiter. Wir sollten ein ca. 20minütiges Theaterstück erarbeiten, in dem wir unsere Figuren ohne zu sprechen darstellen sollten, nur anhand von dynamischen und charakteristischen Bewegungen. Vorgegeben wurde, dass es eine „High class“ und eine Flüchtlingsgesellschaft geben sollte, die aufeinander treffen. Aus dieser Situation sollten wir ein Chaos simulieren, was sich immer weiter zuspitzen sollte, bis alle „tot“ auf dem Boden liegen sollten. Die letzte Szene sah dann eine Improvisation vor, wie wir die wiederauferstehende neue Gesellschaft gestalten würden. Das Stück wurde im Hintergrund durch Bilder und klassische Musik begleitet, welche die Dynamik nochmals verstärkte. Wir wurden also in zwei Gruppen geteilt und mussten uns eine Figur ausdenken und für diese typische Bewegungen finden, mit der wir sie darstellen können. Das Proben war spaßig, aber auch sehr anstrengend, da wir 20 Minuten lang in ständiger Bewegung waren. Wir übten den Rest des Nachmittags und am Abend sollten wir das Geübte den Lehrern vorstellen und umgekehrt.
Die Lehrer haben an einem Film zum Thema „degrowth society“ gearbeitet, womit man eine Wirtschaftsweise bezeichnet, die das Wohlergehen aller als Ziel hat. (Sie haben das Thema ‚Wissen austauschen‘ verdeutlicht, indem sie sich in einem Café erklären lassen haben, wie man im Libanon Kaffee kocht.) Darauf folgte direkt die Schlusszeremonie der Workshops, und alle Teilnehmer wurden von der UNESCO- Bundeskoordination ausgezeichnet.
Für den Rest des Abends wurden alle weiteren Projekte bzw. Projektideen der Schüler vorgestellt. Auch diese drehten sich um die Themen Flüchtlingsintegration, Nachhaltigkeit und Bildung, aber auch Frieden und energetische Sanierung in Wismar wurden zum Thema. Dies bildete den Abschluss des zweiten Tages.
Am dritten und letzten Tag stand endlich die Exkursion an, auf die wir alle uns schon sehr gefreut hatten. Früh ging es mit dem Bus los in Richtung Tripoli. Dieser Ort wird auch Stadt des Wissens genannt, da sich dort viele Unis und andere Bildungseinrichtungen befinden. Nachdem wir ca. anderthalb Stunden unterwegs waren, hielten wir gegenüber von einem libanesischen Nachspeisenrestaurant. Dies war unser erstes Ziel. Dort durfte sich jeder eine Nachspeise von der Karte aussuchen und bestellen und zu trinken gab es entweder Wasser oder frisch gepresste Fruchtsäfte. Was zuerst wie eine kleine Portion auf dem Teller wirkte, stellte sich als sehr süße und gleichzeitig sehr deftige Mahlzeit raus. Doch wir alle waren begeistert davon und wären gern noch länger dort geblieben. Doch es ging bald weiter, denn unser Ziel war eine alte Burg. Da die Straßen sehr voll waren, entschied sich unser Reiseführer, dass wir auf halben Weg mitten auf der Straße aussteigen und zu Fuß bis zur Burg laufen sollten und nach einigen Minuten kamen wir dort an. Sie wurde zu verschiedenen Zeiten erbaut und heutzutage ist es sie eine kleine Militärstation, trotz ihrer touristischen Attraktivität. Wir wurden in verschiedene Teile der Burg geführt, wie das Gefängnis oder die Räume der Stationierten von früher, welche zu einem Museum umfunktioniert wurden. Am beeindruckendsten war jedoch der Blick von der oberen Plattform: Man konnte bis zur syrischen Küste blicken und uns wurde gesagt, dass Damaskus keine 50 Kilometer Luftstrecke von dieser Burg entfernt sei. Doch allzu viel Zeit hatten wir nicht, um den Ausblick zu bewundern, da wir als nächstes den Souk (Basar) von Tripoli besuchen wollten. Dafür mussten wir einen steilen Weg abwärts durch die Gassen der Stadt laufen. Als wir auf dem Basar ankamen, waren wir plötzlich von unzähligen Menschen in den engen Gassen umgeben und es herrschte ein reges Treiben. Wir liefen an vielen Gewürz-, Schmuck- und Parfümhändlern vorbei, bis wir auf einen kleinen Innenhof kamen, in dem mehrere lokale Seifenhersteller ihre Produkte anboten. Dort konnte man Seifen verschiedenster Gerüche, Formen und Farben kaufen und die Verkäufer boten uns vieles an. Auf dem Weg zurück zum Bus, mit dem wir nun noch nach Byblos fahren wollten, liefen wir quer durch die Innenstadt und das durch den total chaotischen, unorganisierten Verkehr. Wir liefen als große Gruppe über Straßen, mitten durch Kreisverkehre und blieben dann an einer Verkehrsinsel stehen, um dort auf den Bus zu warten. Das war mit eines der aufregendsten Ereignisse im Libanon.
Mit dem Bus ging es dann weiter nach Byblos. Der Busfahrer machte auf der Fahrt arabische Tanzmusik an und viele arabische Schüler und Lehrer fingen an mitten im Bus zu tanzen. Auch manche von uns Deutschen ließen sich mit der Zeit mitziehen und alles in allem war es eine sehr spaßige und ungewöhnliche Busfahrt.
In Byblos angekommen sind wir erstmal durch einen Miniweihnachtsmarkt gelaufen, dann nochmal durch einen kleinen Basar zu einem Restaurant direkt am Meer. Dort sollten wir Mittagessen (obwohl es durchaus schon kurz vor Sonnenuntergang war). Die Tische waren schon gedeckt und uns erwartete ein sehr großes Drei-Gänge-Menü mit reichlichen Vorspeisen, Fisch und zuletzt auch noch einer libanesischen Nachspeise. Nach dem Essen bekamen wir noch einen kleinen Vortrag über eine über 900 Jahre alte Kirche, die in Byblos steht, und zuletzt bekamen wir noch ein wenig Zeit uns die Märkte anzusehen. Viele von uns versuchten noch ihr libanesisches Geld auszugeben, bevor wir uns wieder auf die Rückfahrt nach Beirut begaben. Dort verließen uns am Abend schon die libanesischen Schüler und Lehrer.
Zurück im Convent gab es nochmal etwas zu essen, bevor sich jeder wie er mochte auf die frühe Rückreise am nächsten Tag vorbereiten konnte. Manche blieben wach, andere versuchten ein paar Stunden zu schlafen und um halb 2 Uhr morgens verließen die Tunesier und Deutschen dann den Convent in Richtung Flughafen.
Alles in allem war es ein toller, aber viel zu kurzer Aufenthalt. Vor allem die Exkursion hätte man besser auf zwei Tage legen können, da es einerseits die Hälfte der Zeit in Byblos schon dunkel war und wir nicht viel davon zu sehen bekamen und anderseits wir so schnell durch Tripoli gefahren sind, dass wir kaum Zeit hatten uns alles in Ruhe anzugucken, was wir zu sehen bekommen haben. Trotzdem finde ich, dass es einen gelungenen Austausch von Kulturen und Meinungen in den Workshops gegeben hat und wir viele neue Freunde gefunden haben, zu denen wir auf jeden Fall Kontakt halten werden.