Am Ende des Projekttages zum 100. Geburtstages von Max Windmüller liegen sich Esther Bejarano und Albrecht Weinberg auf der Bühne der Johannes a Lasco-Bibliothek in den Armen. Beide waren am 20. April 1943 mit demselben Transport nach Auschwitz transportiert worden – und beide haben den Holocaust überlebt. Bereits vor zwei Jahren hatte Albrecht Weinberg, der heute in Leer lebt, Bejarano bei ihrem ersten Auftritt in Emden treffen wollen, war damals allerdings krankheitsbedingt verhindert. Nun klappt es mit dem Wiedersehen: „Krümel! – Kennst Du mich noch?“, ruft Weinberg der Sängerin zu, um auf sich aufmerksam zu machen. Mit Erfolg: Ebenso wie Weinberg war auch Esther Bejarano im KZ Krümel genannt worden und so dauert es nicht lang und beide sprechen noch vor dem Beginn der eigentlichen Veranstaltung miteinander und umarmen sich innig vor dem Publikum in der vollbesetzten Kirche.
Ein Bild, das bewegender nicht hätte sein können: Anlässlich des 100. Geburtstages Max Windmüllers hatten sich zahlreiche Gäste in der Johannes a Lasco-Bibliothek eingefunden, um dem Namensgeber der Schule zu gedenken. „Der heutige Festakt soll an das Leben und den Einsatz von Max erinnern, aber auch an die Gewalt und das Unrecht, das ihm und so vielen Menschen durch die Nationalsozialisten angetan wurde“, betonte Schulleiter Frank Tapper zu Beginn seiner Rede. Bei aller Trauer, die mit dem Gedenken einhergehe, gehe es auch darum, Lehren aus dem Leben Windmüllers zu ziehen: „Optimistisch stimmt die Courage der Widerstandskämpfer während der Nazi-Herrschaft, die vielen, und doch viel zu wenigen, Menschen das Leben retteten. Menschen wie Max Windmüller haben sich trotz aller Aussichtslosigkeit gegen die Unterdrückung gewehrt und für ihre Mitmenschen eingesetzt.“
Tapper dankte den vielen Referentinnen und Referenten, die im Laufe des Tages am Gymnasium aktiv waren: „Sie alle unterstützen das Bildungsziel, unsere Schülerinnen und Schüler stark zu machen, um sie gegen populistische, rassistische und antisemitische Parolen immun zu machen.“
Das ist auch das Ziel von Esther Bejarano: Knapp dreißig Minuten trägt die 95jährige Shoah-Überlebende aus ihrer Biografie vor, die nur durch eine glückliche Fügung Mitglied des Mädchenorchesters des Konzentrationslagers Auschwitz wurde. Mit dem Vorspielen des Schlagers „Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami“ konnte sie damals überzeugen und so überleben.
Eine Stunde singt Esther Bejarano nach ihrer Lesung mit der Microphone Mafia, der HipHop-Band mit ihrem Sohn Joram und dem „eingeenkelten“ Kutlu. „Per la Vita“ – „Für das Leben“ ist ein Titel Bejaranos, der an diesem Abend wie das Motto des Festtages wirkt, denn der Auftritt sprüht vor Lebensfreude und Zuversicht. Ganz besondere Emotionen löst natürlich „Bel Ami“ aus – auch bei Weinberg, der die ganze Zeit leise mitsingt. Als der Schlussapplaus ertönt dankt Oberbürgermeister Tim Kruithoff der Sängerin und überreicht einen Blumenstrauß auf Knien, bevor er Arie Windmüller, Tswi Herschel und Albrecht Weinberg auf die Bühne bittet. Letzterer ist sofort wieder mit Esther Bejarano im Gespräch: Obwohl beide vielbeschäftigt sind und unermüdlich aus ihrem Leben berichten, wollen sie sich bald wieder treffen, um in Ruhe miteinander sprechen zu können.