Prom, Mottowoche und Marschkapelle

Svenja Wagner verbringt das Schuljahr 2014/2015 in den USA. Hier gibt sie uns einen ersten Einblick in ihren neuen Alltag:

Ungefähr zwei Monate bin ich jetzt in den USA. Ich lebe in Beverly, eine Stadt, ungefähr so groß wie Emden, in Massachusetts. Es ist einfach unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Das liegt wahrscheinlich zum Einen daran, dass ich mich hier ziemlich wohl fühle und zum Anderen weil ich sehr beschäftigt bin: In der Woche Schule bis halb zwei, danach finden verschiedene Clubs statt, Hausaufgaben, Sport, oder Üben für die Marching Band – etwa vergleichbar mit einer Marschkapelle.

SCHULE
Am 04.09. hat die Schule hier begonnen. Ich gehe in die 12. Klasse und bin somit ein ‘Senior’. Das Gute ist, dass ich als Austauschschüler keine Arbeiten schreiben muss und auch sonst irgendwie nicht geprüft werde. Ich nehme also nur all die positiven Seiten eines Seniors mit: Prom, Mottowoche, das Gefühl, ein Senior zu sein, und und und.
Schule ist ziemlich anders als in Deutschland. Wenn man sich meinen Stundenplan anguckt, kann man kaum von ‘Schule’ reden, wie ich finde.

Meine Fächer sind: amerikanische Geschichte, Englisch, Forensik, Band (eine Art Marschkapelle die bei den Footballgames für Stimmung sorgt), Chor, Gitarrenunterricht, Drama (Theater), Zeichensprache, kreatives Schreiben und amerikanische Filmstudie (d.h. Filme angucken und bewerten).
Diese Fächer beschreiben ziemlich gut die Dinge, die ich in Deutschland nach der Schule gemacht habe beziehungsweise Dinge, die ich schon immer mal machen wollte. Die meisten Fächer fallen mir ziemlich leicht, allerdings habe ich noch etwas Probleme im Englischunterricht und vor allem in amerikanischer Geschichte. Ich finde aber nicht, dass sich das Arbeitsklima im Unterricht großartig von meiner Schule in Deutschland unterscheidet.
Das Verständigen auf Englisch ist mir von Anfang an überraschend leicht gefallen, und auch von amerikanischer Seite bekomme ich häufig Komplimente für mein gutes Englisch.
Die Marching Band macht mir besonders viel Spaß. Bei jedem Footballgame marschiert die ganze Band von der Schule aus zum etwa zwei Kilometer entfernten Football-Feld, um dort vor dem Spiel, in der Halbzeit, und während des Spiels von der Tribüne aus mehrere Lieder zu spielen – das alles einheitlich in Uniform.
Da ich vorher nicht wirklich ein Instrument gespielt habe, spiele ich Becken. Ich beginne jetzt aber, Klarinette zu lernen.

Die Schule beginnt um 8.15 Uhr und endet jeden Tag um 14.35 Uhr. Ich bin eine der wenigen, die mit dem Fahrrad fährt (von 1.200 Schülern fahren vielleicht 10 mit dem Fahrrad). Ich brauche ca. 5 Minuten zur Schule, und 15 Minuten zurück (es gibt genau einen Hügel in ganz Beverly; ich wohne natürlich direkt auf der Spitze. Das hat aber auch folgende Vorteile: Ich kann länger schlafen, weil ich schnell bei der Schule bin, und ich kann sagen, dass ich auf einem Beverly Hill wohne.)
Die Fahrradstrecke ist noch etwas ungewohnt, da es keine Fahrradwege gibt. Außerdem ist es hier normal, dass Fußgänger über Rot gehen, was von den Autofahrern vollkommen akzeptiert wird. Ich, als deutsche Austauschschülerin, sehe mich jedoch in gewisser Weise gezwungen, zu warten, bis ich grün habe…

Ich habe den Eindruck, dass die Leute hier offener und hilfsbereiter sind, als in Deutschland. Jeder grüßt sich, fragt wie es einem geht. Das fällt mir vor allem in der Schule auf, wo mich meine Mitschüler von sich aus ihre Hilfe anbieten und jeder sich gegenseitig die Tür auf den Fluren aufhält. Besonders die deutschen Jungs sollten sich mal ein Beispiel and die amerikanischen Jungs nehmen: wahre Gentlemen!
Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Schüler toleranter sind. Denn hier trägt wirklich jeder, was er will: von Jogginghose bis hin zu Hemd mit Fliege. Das ist schon etwas Vielfältiger als in Deutschland, wo jeder seine weißen Converse Schuhe, blaue Jeans mit schwarzem Shirt trägt.
Zwar sind die meisten Begegnungen eher Oberflächlich, aber ich nutze die Chance um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich habe schon ein paar Mädchen kennengelernt, mit denen ich meistens beim Lunch sitze. Mittlerweile bin ich auch im keinen Kurs mehr alleine.

GASTFAMILIE
Meine Gasteltern sind echte Musik-Liebhaber. Mein Gastvater hat ca. 12 verschiedene Saxophone. Überall liegen Instrumente: im Auto, in einen meiner begehbaren Kleiderschränke den ich deshalb nicht benutzen kann, im leeren Zimmer meines Gastbruders (den ich leider noch nicht kennen lernen konnte, weil er außerhalb studiert) und im Wohnzimmer.
Sie sind glaube ich ziemlich stolz auf mich, weil ich in der Marching Band bin, im Chor und Gitarre und Klarinette lerne (Zuhause habe ich dann eine Auswahl zwischen 5 Gitarren und einer Ukulele).
Im Haushalt kümmere ich mich ums Geschirr, meine Wäsche, und mein Zimmer. Mit den Aufgaben bin ich echt zufrieden, denn es hilft mir denke ich auch, selbstständiger zu werden.
Ich war schon zwei mal in Boston. Ein mal, um mir die Stadt anzugucken und das Museum Body’s World Vital zu besuchen; und ein anderes mal, um in einer Bar mein erstes Footballgame zu gucken. In der Bar haben wir einen jungen Mann kennengelernt (ein großer Footballfan!) der mich, als er erfahren hat, dass ich aus Deutschland komme, gefragt hat, ob es nicht auch die Deutschen waren, die dieses Jahr die Fußball WM gewonnen haben…
Auch Beverly’s Nachbarstadt Salem, die bekannt für ihre Legenden über die Hexen ist, habe ich schon ein paar mal besucht. Im ganzen Oktober spielt Salem verrückt, wegen Halloween.
Vor ein paar Tagen war hier auch eine Art Schützenfest, wo es nicht nur Karussells und Essen gab, sondern man sich auch Tiere angucken konnte und andere Attraktionen, wie ein Schweinerennen.
Die Katze, MacAllister, erinnert mich leicht an Grumpy Cat. Er guckt mich ziemlich Böse an, außer wenn ich mit einer Box Leckerlies raschle. Aber wir kommen uns langsam näher und er besucht mich immer öfter schnurrend in meinem Zimmer.

ROTARY CLUB
Der Beverly Rotary Club ist der größte (und lustigste!!) Rotary Club in meinem Distrikt. Ich gehe gern zu den Club meetings, und obwohl sie während der Schulzeit sind, gehe ich jede Woche dorthin. Auch außerhalb der Meetings unternehme ich öfters was mit dem Club, wie Fahrradtouren oder einfach ein Meeting in einer Bar am Wochenende.
Anfang September war auch die erste Orientation, bei der ich 25 andere “Rotary-Inbounds” aus der ganzen Welt, die hier in der Umgebung ihr Auslandsjahr verbringen, kennengelernt habe. Sie fand im 30 Minuten entfernten Boxfort statt, mitten im Wald. Wir wurden nochmals über die Rotary Regeln aufgeklärt, hatten aber auch genügend Gelegenheit uns gegenseitig besser kennenzulernen und Spaß zu haben, z.B. beim Fußballspielen oder Schwimmen im See (das Wetter war grandios!).

ÜBERRASCHENDE BEOBACHTUNGEN

-Das Leitungswasser schmeckt sehr nach Leitung

-Die Amis sagen manchmal, wenn jemand geniest hat, “Gesundheit” auf deutsch!

 

Svenja Wagner

… Bericht im Sonntagsblatt