Sechs Millionen ermordete Juden – die Zahl der Opfer des Holocausts ist bekannt, doch wie soll man ihre Dimension und ihre Bedeutung erfassen? Die bekannte Journalistin und Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld hat es einmal so versucht: »Sechs Millionen Juden, das sind eins plus eins plus eins … Menschen.« Dass diesen Ansatz auch Yad Vashem verfolgt, wurde im November im Rahmen eines Projekttages aller zehnten Klassen des Gymnasiums deutlich:
Mithilfe des Unterrichtsmaterial „Was geht mich die Geschichte an?“ der Holocaust-Gedenkstätte erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler in Gruppen so unterschiedliche Geschichten wie die des Hitlerjungen Salomon Sally Perel, des tunesischen Juden Albert Memmi oder der albanischen Famile Mandil. Individuelle Beispiele, die zeigen, dass viele Faktoren für den Verlauf der Schicksale verantwortlich waren. „Der Holocaust wird so besser greifbar und es wird möglich, das Leiden der jüdischen Bevölkerung in Ansätzen nachzuempfinden“, äußerten Schülerinnen und Schüler im Anschluss an den Projekttag. Zudem regten sie an, zukünftig noch mehr Zeit für die Arbeit mit dem Material einzuplanen. Dass diese Auseinandersetzung mit der Geschichte auch eine Begegnung mit der Gegenwart darstellt, wurde besonders am Beispiel der Reise der St. Louis deutlich: Das Flüchtlingsschiff nahm im Mai 1939 Kurs auf Kuba, wohin 937 jüdische Passagiere ein halbes Jahr nach der Reichspogromnacht 1938 auswandern wollten. Dort angekommen wurde ihnen jedoch die Einreise verweigert – und eine Irrfahrt begann, die letztlich mit der Rückfahrt nach Europa endete. Im belgischen Antwerpen gingen die Passagiere von Bord, um auf vier europäische Staaten verteilt zu werden, die sich nach langem Zögern dazu bereit erklärt hatten. Doch nur die 254 Flüchtlinge, die in Großbritannien Asyl fanden, überlebten vollzählig, während die übrigen Personen durch die deutsche Besetzung der Niederlande, Belgien und Frankreichs wieder unter die Herrschaft der Nazis gerieten. 254 Menschen fielen dadurch letztlich doch dem Holocaust zum Opfer.
Zu den Staaten, die den St-Louis-Flüchtlingen die Aufnahme verwehrt hatten, gehörte neben den USA auch Kanada: „None is too many (Keiner ist schon zuviel)“ – war die Antwort auf das Hilfeersuchen der Juden, die inzwischen in den kanadischen Sprachgebrauch eingegangen ist. Für diese Entscheidung der damaligen Verantwortlichen hat jetzt Justin Trudeau, der kanadische Premierminister, um Entschuldigung gebeten: „We apologize to the mothers and fathers whose children we did not save, to the daughters and sons whose parents we did not help (Wir entschuldigen uns bei den Müttern und Vätern, deren Kindern wir nicht gerettet haben und bei den Töchtern und Söhnen, deren Eltern wir nicht geholfen haben)”, sagte er 79 Jahre später am 6. November im kanadischen Parlament.
Auch im kommenden Jahr soll ein Yad Vashem-Projekttag stattfinden, dann zum dritten Mal.