Ein häufig vergessenes Kapitel – im Rahmen der Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages 2021 rückten Laura Oldewurtel und Reiko Miege das Schicksal der etwa 100.000 deutscher Soldaten jüdischen Glaubens in den Mittelpunkt, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen haben.
Zu den Emder Kriegsteilnehmern gehörten neben den Gefallenen Ludwig Fulda, Jacob Valk und Artur Cohen auch Louis Philipson und Philipp Nussbaum: Beide überlebten den Ersten Weltkrieg und beide wollten Deuschland auch nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten nicht verlassen. Doch ihre Treue zu ihrem Heimatland wurde ihnen zum Verhängnis: Während Louis Philipson mit seiner Ehefrau in Chelmno ermordet wurde, wurde Philipp Nussbaum mit seiner Familie in Auschwitz umgebracht.
Auch Leo Baeck, der als Militärrabbiner von 1914 bis 1918 an der Ost- und Westfront tätig war, wollte nicht weg aus Deutschland. Auch er wurde deportiert, doch überlebte er das KZ Theresienstadt. Nach seiner Befreiung sagte er: „Für uns Juden in Deutschland ist eine Geschichtsepoche zu Ende gegangen. Eine solche geht zu Ende, wenn immer eine Hoffnung, ein Glaube, eine Zuversicht endgültig zu Grabe getragen werden muß. Unser Glaube war es, dass deutscher und jüdischer Geist auf deutschem Boden sich treffen und durch ihre Vermählung zum Segen werden könnten. Dies war eine Illusion – die Epoche der Juden in Deutschland ist ein für alle Mal vorbei.“
Baeck hat sich geirrt: Über 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, 76 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur und der Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager wurde am 21. Juni 2021 mit Zsolt Balla wieder ein Militärrabbiner ins Amt eingeführt – im Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.