Spendenaktion für das Montessori Waisenhaus in Bububu, Sansibar, Tansania
Noch einmal kräftig an der Eisenstange gedrückt und dann ist er zu. Vollgepackt bis obenhin. Vollgepackt mit Kuscheltieren, Kleidung, Spielsachen und mit Geschirr. Knapp zwei Monate später als geplant, tritt der Container mit euren Spenden seine Reise nach Tansania, Afrika an. – Voller Freude, dass es endlich los geht, ahnen wir nicht, welche Hürden noch auf uns zukommen.
Ihr habt euch von euren Malbüchern, Bällen, Rucksäcken, Matratzen und Schuhen getrennt. Die SVler haben fleißigst sortiert, organisiert und notiert, ihre Pausen geopfert … und das Spielkind in sich wiederentdeckt – es musste natürlich nur getestet werden, ob alles noch funktioniert.
Nachdem wir eure Spenden Mitte April zu einem Sammelpunkt in die Grafschaft Bentheim gebracht hatten, mussten noch einige bürokratische Hürden überwunden werden. Dann endlich kam die Nachricht: wir bekommen am 21.06. einen Container für zwei Stunden zum Bepacken. So spielten am Freitagvormittag vier Erwachsene unter Hochdruck Tetris in Lebensgröße. Denn schnell wurde klar: nicht nur die Zeit ist knapp, sondern in Emden und der Grafschaft Bentheim wurden so viele Sachen gesammelt, dass jeder Zentimeter im Container genutzt werden muss – und seefest sollte es dazu natürlich auch noch sein. Nicht auszudenken, was bei einem Sturm passieren könnte, wenn ein Lattenrost oder ein voller Karton durch die Gegend fliegen würde. Schweißgebadet wurde der Container verplombt und auf seine lange Reise geschickt. Diese führte ihn von Nordhorn nach Bremerhaven. Nach einer kurzen Standzeit wurde er auf das Containerschiff verladen, mit dem es endlich auf die Seereise ging: um Europa herum, durch eine der meist befahrenen Seepassagen der Welt, die Straße von Gibraltar, über das Mittelmeer, durch den Suezkanal in Ägypten sowie über das Rote Meer. Schließlich noch durch das heikle Seegebiet vor Somalia, in dem Piraten lauern können. Trotz der Gefahren einer solchen Seereise kam der Container in Mombasa, Kenia, unversehrt an. Nach einer erneuten kurzen Standzeit wurde er Anfang August auf ein zweites Containerschiff umgeladen und über Daressalam, Tansania, nach Sansibar geschickt.
Da ich in den Sommerferien extra nach Sansibar geflogen war, um den Container in Empfang nehmen zu können, steig in mir nun die Aufregung und Unruhe. Zwar ist auf der letzten Etappe von Mombasa nach Sansibar die Ankunft des Schiffes grob abschätzbar, doch es kann immer etwas dazwischenkommen und dass die Sommerferien verlängert werden würden, war mehr als unwahrscheinlich. Die Zeit saß mir also auf diesem letzten Stück des Weges „im Nacken“, blieben schließlich nur noch 10 Tage Ferien.
Wann kommt der Container genau an? Wie haben die Sachen die oftmals raue See und die Verladungen überstanden? Wird der Container seinen Weg überhaupt bis nach Sansibar finden? Wird er noch verplombt sein oder wurde er unerlaubterweise unterwegs geöffnet? Ich überprüfte täglich die Koordinaten des Schiffes. Doch es bewegte sich kaum. Wie kann ein Schiff für so eine kurze Strecke so lange brauchen? Ich wurde zunehmen unruhig. Das Ende der Sommerferien raste in einem Affenzahn heran und das Schiff kam und kam nicht an. Und dann kam wirklich der Abreisetag: Voller Enttäuschung flog ich unerledigter Dinge zurück nach Deutschland. Doch nicht nur ich war enttäuscht: auch die ca. 55 Kinder im Waisenheim und ihre Betreuer hatten sichtlich mit der Desillusionierung zu kämpfen – sollte der Container doch bereits vor knapp zwei Monaten angekommen sein und sein Inhalt wird dringend gebraucht.
Am 21.08. erhielt ich dann schließlich die Mail: Das Schiff ist im Hafen von Sansibar eingelaufen und wird gelöscht (entladen). Juhu!! Der Container ist da! Voller Freude informierte ich die Leiterin des Waisenhauses, dass nun das Abholen des Containers und endlich die letzte Etappe vom Hafen in den Ort Bububu organisiert werden kann.
Meine Familie und ich hatten bereits viel Erfahrung mit tansanischen Behörden und der Bevölkerung. Doch dass es nun noch einmal knapp zwei Monate dauern sollte desillusionierte uns erneut. Unterschiedliche Sachbearbeiter, andere Gesetze, Unkenntnis, fehlende Papiere, Feiertage, Ferien und unregelmäßige Arbeitszeiten brachten uns an den Rand unserer Geduld. Selten empfand ich das afrikanische Sprichwort „ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit“ passender. Das rasante Arbeitstempo Deutschlands bzw. Europas als Maßstab zu setzen, war hier einfach absolut fehl am Platz. So wurden wir wieder auf eine sehr harte Geduldsprobe gestellt.
Erneut flog ich im Herbst nach Sansibar. Ich dachte, dass wir vor Ort mehr ausrichten, die langsam mahlenden Mühlen beschleunigen könnten. Der Gang zur Behörde und der Anruf bei unseren Kontaktpersonen wurden mein tägliches Ritual. Doch nichts. Weder das Einschalten eines Agenten als Vermittlungsperson und Helfer, noch alle anderen Bemühungen konnten das Auslösen des Containers beschleunigen. Erneut flog ich am Ende der Ferien unverrichteter Dinge zurück nach Deutschland. Dieses Mal vollkommen enttäuscht und wütend. Auch unsere sansibarischen Freunde wurden zunehmend ratlos. Was ist, wenn wir den Container nie bekommen? Was ist, wenn er noch ein halbes Jahr dort im Hafen steht? Wer zahlt die Standgebühr? Erneut stiegen Sorgen auf. Niemand konnte wirklich sagen, ob, wie oder wann wir den Container erhalten würden.
Umso überraschter erhielt ich Anfang November eine Nachricht mit Fotos: Der Container wurde ausgelöst, die Sachen wurden mit einem LKW über die sandige „Huckelpiste“ nach Bubu gebracht – und das in der Regenzeit, in der die Straßen unter Wasser stehen, Flip Flops an einem vorbei schwimmen und der kleine Hang zum Waisenheim einer steilen Rutschbahn gleicht.
Wieso der Container plötzlich ausgelöst werden konnte, vermochte niemand zu sagen. Letztendlich war es auch egal: eure Sachen waren endlich dort, wo sie sehnsüchtig erwartet wurden.
Nun beginnt das große Auspacken. Die monatelang verpackte Kleidung muss gesichtet und von Hand von den Kindern gewaschen werden – denn eine Waschmaschine gibt es nicht. Da selbst die Kindergartenkinder mithelfen, ist alles innerhalb einiger Tage gewaschen. Da ohnehin der Platz zum Trocknen knapp ist, wird die Kleidung auf dem Boden und vor den Hühnern getrocknet. Zum Glück sind auch Wäschespinnen bei den Spenden gewesen. Regale werden aufgebaut oder zwischenzeitlich als Tische genutzt, Kuscheltiere werde geknuddelt, Wippen (nachdem das Prinzip erklärt wurde) und Hula-Hopp-Reifen auf Herz und Nieren getestet. Die Regenschirme kommen gerade rechtzeitig in dieser ungewöhnlich langen Regenzeit: endlich kann der Weg vom Klassen- oder vom Schlafzimmer zum Klo halbwegs trockenen Kopfes gegangen werden…und der erste Regentanz mit vielen bunten Regenschirmen lässt nicht lange auf sich warten.
Doch es wird nicht alles auf einmal verteilt. Die Mehrheit der Sachen wird zurückgehalten. Mit so viel Besonderem muss gut gehaushaltet werden. Denn so kann jedes Kind zu Weihnachten und zum Geburtstag für eine lange Zeit ein kleines Geschenk bekommen. Weihnachtsgeschenke für alle gab es vorher noch nie. Es gibt aber auch noch einen zweiten Grund – auch wenn dieser seltsam klingen mag: So viel plötzlicher Besitz kann auch überfordern. Wer nie Spielsachen hatte, wer nie mehr als ein T-Shirt und eine Schuluniform besaß, wer nie sagen konnte „das ist meins!“ (selbst Zahnbürsten werden hier geteilt), kann von all den neuen Dingen auch überwältigt werden.
Bis wirklich alles aufgebaut, einbetoniert und genutzt werden kann, wird es sicher noch eine ganze Weile dauern. Das Arbeitstempo bei sehr feuchtschwülen 34 Grad ist einfach langsamer. Manches, für uns Selbstverständliches, erklärt sich nicht von allein und es wird Hilfe beim Aufbauen und beim ersten Benutzen gebraucht werden. Daher werde ich in den nächsten Ferien wieder nach Sansibar fliegen und halte euch auf dem Laufenden, ob das Trampolin oder die Schaukel schon benutzt werden können, ob die Rucksäcke treue Begleiter auf dem Schulweg sind oder ob die Kuscheltiere nachts auch sorgfältig über die Kinder wachen.
Durch die Unterstützung der letzten Jahre und durch eure große Spende geht es diesem Waisenheim mittlerweile für sansibarische Verhältnisse gut. Jedes Kind hat mindestens zwei eigene T-Shirts und eine kleine Schublade, in die es seine paar Habseligkeiten unterbringen kann.
Doch es gibt noch viele andere Waisenheime auf der Insel, die schlecht ausgestattet sind. Daher werden wir auch in Zukunft weiter Spenden sammeln und freuen uns, wenn ihr uns auch dann so fleißig unterstützt. Ahsante sana!