„Man wollte uns in Emden nicht mehr haben!“: Dass sie Emden nicht freiwillig verlassen hat, merkte man ihr auch im hohen Alter noch an. Voller Begeisterung erzählte sie 2017 Schüler:innen des Max-Windmüller-Gymnasiums und der BBS II von ihrer Heimatstadt, in der ihre Eltern Marianne und Jakob Nussbaum direkt hinter dem Rathaus ein Lebensmittelgeschäft führten – Nussbaum am Rathaus. Der Veteran des Ersten Weltkrieges und seine Frau hatten drei Töchter und einen Sohn: 1923 wurde Auguste geboren, 1925 ihre Schwester Sophie, 1928 folgte Ruth. Mit leuchtenden Augen erinnerte sich Gustel, wie sie gerufen wurde, an die glücklichen Tage ihrer Kindheit und berichtete von Kinderliedern und Orten, an denen sie gespielt hat, bis die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Damit änderte sich für die jüdische Familie bald alles: Nach und nach sorgten immer weitere Restriktionen und Schikanen dafür, dass das Geschäft nur noch unter großen Schwierigkeiten aufrechtzuerhalten war. Doch Jakob Nussbaum gab nicht auf: 32 Jahre lang führte er seinen Laden bis dieser in der Reichspogromnacht 1938 zerstört wurde.
Gustel Nussbaum war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Emden: Nachdem sie ab 1937 in Nordhorn als Haushaltshilfe gelebt hatte, floh sie im November 1938 in die Niederlande, wo sie sich mit ihrer Schwester Sophie auf eine Auswanderung nach Palästina vorbereitete. Dort traf sie auch ihren Cousin Max Windmüller wieder, der ebenfalls aus Emden stammte. Doch nach dem Überfall der Nazis auf die Niederlande änderte sich wiederum alles: Immer wieder mussten die Schwestern Unterschlupf in wechselnden Verstecken suchen, um vor den Deutschen sicher zu sein. Ihren Eltern gelang dies nicht: Nachdem dem Paar 1942 mit Uri noch ein Sohn geboren wurde, der im Alter von sieben Monaten in Theresienstadt starb, wurden Marianne und Jakob Nussbaum und ihre Tochter Ruth in Auschwitz ermordet.
Gustel überlebte ebenso wie Sophie den Krieg und wanderte 1946 nach Palästina aus. Sie heiratete Heinz Moses und bekam drei Kinder. Zuletzt lebte Auguste sie lange in einer Seniorenresidenz in Kfar Sabar in der Nähe von Tel Aviv, wo sie 2017 auch die Schüler:innen des Max-Windmüllers und der BBS II traf. Mit dabei war damals auch die im Februar 2022 verstorbene Gesine Janssen, die die letzte Verbindung für Gustel nach Emden darstellte. Ein weiteres Treffen dieser Art konnte beim diesjährigen Israel-Austausch des Max leider nicht zustande kommen: Nachdem Anrufe zuvor nicht beantwortet worden waren, erfuhren die Emder bei einem Besuch der Seniorenresidenz vor Ort vom Tode Auguste Moses-Nussbaums, die bereits am 7. Oktober 2021 verstorben war, wie ihr Sohn Gideon jetzt bestätigte.
Mit Auguste Moses-Nussbaum ist die letzte Zeitzeugin, die noch vom jüdischen Emden berichten konnte, gestorben: Nach dem Tod ihrer Schwester Sophie im Jahr 2019 war Gustel die letzte noch lebende Angehörige der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Emden.
Das Max-Windmüller-Gymnasium wird ihr ein ehrendes Gedenken bewahren.