Ein Jahr in Emden – Gyula berichtet

Mehr Emden geht nicht – Gyula am Delft.

Mein Austauschjahr begann am achten September 2023, als ich Ungarn, mein Heimatland, verlassen habe, und mein Gastvater mich um 2 Uhr nachts von dem Hauptbahnhof in Bremen abgeholt hat. Ich war natürlich sehr aufgeregt bzw. nervös, da ich in einem neuen Land ein ganz neues Leben aufbauen musste. Aber ich war derjenige, der diese Entscheidung getroffen hatte, also ich wusste schon, dass es hier Herausforderungen geben würde. Ich wusste jedoch auch, dass ich von diesem Jahr sehr viel profitieren kann und dass ich unvergessliche Erlebnisse sammeln werde. Darüber hinaus war mein Ziel, die deutsche Sprache zu lernen, da ich später in einem deutschsprachigen Land studieren möchte. Mein Vorbild war mein Onkel, der auch ein Jahr bei einer Gastfamilie in Deutschland verbracht hat und die Sprache fast perfekt gelernt habe.

Innerhalb Deutschlands konnte ich jedoch nicht aussuchen, welche Stadt ich besuchen möchte. Es war nur ein Zufall, dass ich von einer Gastfamilie aus Emden ausgewählt wurde. Gleichzeitig war ich sehr froh darüber, nach Westdeutschland zu kommen, weil ich unbedingt die westeuropäische Kultur und Denkweise kennenlernen wollte.

Meine erste wichtige Aufgabe hier in Deutschland war, mich in meine Gastfamilie zu integrieren. Meine Gastfamilie ist außergewöhnlich gewesen, da sie nur aus einem Gastvater und aus zwei anderen Austauschschülern entstand. Die anderen Austauschschüler kamen aus der Türkei und aus Italien, sind jedoch im Gegensatz zu mir nur ein halbes Jahr in Deutschland geblieben. Die Integration ist zum Glück sehr schnell und fehlerlos gelaufen. Ich bin direkt vom Anfang an mit allen Familienmitgliedern zurechtgekommen und es herrschte überwiegend eine gute Atmosphäre zu Hause. Es gab selbstverständlich Regeln, an die ich mich halten musste, und zwischen Menschen, vor allem aus verschiedenen Kulturen, sind Auseinandersetzungen natürlich unvermeidbar. Das wichtigste war, dass wir unsere Probleme immer miteinander besprechen konnten, weil wir so die großen Konflikte vermeiden konnten. Darüber hinaus hat es unserem Zusammenleben geholfen, dass wir uns alle für Basketball interessierten, und damit quasi unseren Lieblingssport gemeinsam treiben konnten.

Basketball hat während des Austauschjahres eine große Rolle gespielt: Dreimal in der Woche Training…

Meine zweitwichtigste Aufgabe war die Schule, das Max-Windmüller-Gymnasium, kennenzulernen und da Freunde zu finden. Die Schule hat mir von Anfang an sehr gefallen und ich habe eine wunderbare Klasse bekommen. Meine Klassenkameraden waren immer sehr hilfsbereit und freundlich zu mir und es dauerte nicht lange, bis ich sehr enge Freundschaften schließen konnte. In den ersten Schultagen wurde mir sehr viel geholfen und deswegen konnte ich mich schnell ans neue Schulsystem gewöhnen. Die Lehrer und Lehrerinnen waren auch sehr offen zu mir und sie haben immer ihr Bestes gegeben, um mich in den Unterricht involvieren zu können. Ich habe außerdem sofort klargemacht, dass mir die Noten in der Schule sehr bedeutend sind, weswegen ich genauso wie die anderen bewertet werden möchte. Zum Glück haben sich die Lehrer/innen an diesem Wunsch gehalten. Mit meinem Gesamtzeugnis (ungefähr 11 Punkte im Durchschnitt) am Ende des Jahres bin ich durchaus zufrieden.

Für die Schule musste ich hier natürlich viel lernen, aber es war durchaus machbar, auch wenn wir in Betracht ziehen, dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist. Neben der Schule hatte ich also Zeit für meine Gastfamilie, Freunde und Basketball. Ich habe in Leer bei dem Verein Fortuna Logabirum Basketball gespielt. Ich hatte drei Mal pro Woche Training und am Wochenende noch Spiele. Darüber hinaus arbeitete ich noch als Basketballschiedsrichter, um ein bisschen Taschengeld zu verdienen. Basketball hat mir in diesem Jahr sehr viel bedeutet, ich habe viele Freunde aus der Mannschaft gefunden und Dank dem Verein konnte ich manchmal auch andere Länder besuchen.

… manchmal Einsätze als Schiedsrichter…

Neben Basketball hat die Sprache während meines Austauchjahres eine große Rolle gespielt. Am Anfang war es natürlich sehr nützlich, dass ich schon ein bisschen Deutsch sprechen konnte, weil ich deswegen schnell Freunde fand, und ich konnte auch schon vom Anfang an am Unterricht mitmachen.  Ich hatte jedoch viele Verständnisprobleme und ich habe mit vielen Fehlern gesprochen, deswegen musste ich viel Wert auf das Sprachelernen legen. Ich habe in diesem Jahr immer nur Deutsch gesprochen, ich habe häufig deutsches Fernsehen geschaut und deutsche Bücher gelesen und ich bereitete mich immer auf die Schule vor und deshalb haben sich meine Sprachkenntnisse sehr verbessert. Ich habe sogar noch am Ende des Jahres die Goethe -C1-Sprachprüfung bestanden.

Während meines Austausches habe ich dank meines Gastvaters zahlreiche Ausflüge gemacht und Deutschland sehr gut kennengelernt. Außerdem ist mir Emden und die Leute hier sehr ans Herz gewachsen und ich habe praktisch ein neues Zuhause gefunden.

… oder bei Spielen – Gyula war in Emden stets am Ball.

Schließlich kann ich sagen, dass dieses Jahr eine meiner besten Zeiten meines Lebens gewesen ist und alle meine vorherigen Erwartungen übertroffen hat. Meine neuen Freundschaften werden sicherlich ein Leben lang dauern und die Erfahrungen, die ich hier gesammelt habe, werden später in meinem Leben noch sehr nützlich sein. Damit möchte ich nicht sagen, dass ich keine Schwierigkeiten hatte oder dass ich keine Zeiten hatte, in denen ich mich nicht so wohl fühlte bzw. Heimweh hatte, aber diese Herausforderungen gehören auch zu einem Austauschjahr dazu und man wird durch diese am Ende des Tages immer stärker. Es ist nur sehr wichtig, dass man sehr offen zu den neuen Menschen und zu der neuen Kultur steht und dass man alles versucht, sich in die Gesellschaft zu integrieren, wozu auch unter anderem das Sprachenlernen gehört.

Ich würde also ein Austauschjahr allen empfehlen, die irgendwie die Möglichkeit dazu haben, weil es sicherlich ein wundervolles Erlebnis wird.

Gyula Kemeny