Albrecht Weinberg zu Gast im Geschichts-Leistungskurs

Legte sich einen „Judenstern“ auf die Brust – Albrecht Weinberg im Gespräch mit den Lk-Schüler:innen

Nach pandemiebedingter Pause konnte das Max kurz vor den Ferien gleich zwei Überlebende des Holocaust begrüßen: Neben Tswi Herschel, der zu Gast im 10. Jahrgang war, besuchte auch Albrecht Weinberg das Max. Im Geschichts-LK des Jahrganges 12 erzählte Weinberg aus seinem Leben. Kursteilnehmer Reiko Miege berichtet von dieser Geschichtsstunde:

„Ich bekenne, ich brauche Geschichten, um die Welt zu verstehen“, heißt ein berühmter Spruch von Siegfried Lenz. Und wie könnte man wahrer Geschichte näher kommen, als durch einen Zeitzeugen, der die Zeit des Nationalsozialismuses als Jugendlicher miterleben musste. Diese große Ehre und das riesige Privileg hatte der Geschichtsleistungskurs von Herrn Richter im Jahrgang 12 am vergangenen Donnerstag, den 14. Oktober.
Denn Albrecht Weinberg, ein Überlebender der Shoah und Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges, erzählte mit seiner Lebensgefährtin Gerda von seiner unglaublichen und harten Lebensgeschichte.
Der 96jährige entstammt einer jüdischen Familie und erzählte den Schülerinnen und Schülern des Geschichtsleistungskurs vom schnellen Wandel von Akzeptanz zu Demütigung und Diskriminierung innerhalb der Gesellschaft, bis hin zu ausgeprägter antisemitischer Judenverfolgung und den Folgen davon. Alle Schülerinnen und Schüler hörten gebannt zu und waren sichtlich schockiert von diesen Umständen und Lebensbedingungen, die Albrecht durchmachen musste. Er erzählte vor allem von seiner schweren und unmenschlichen Zwangsarbeit und den Lebensverhältnissen in den Konzentrationslagern Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen. Zu diesen unmenschlichen Tätigkeiten gehörten körperlich stark anstrengende Lastarbeiten, aber auch der Bau von Waffen oder die Arbeit mit gefährlichen Chemikalien in riesigen Fabriken – alles gesteuert und inszeniert durch das NS-Regime.
Bilder aus Albrecht Weinbergs Kindheit und Jugend

Doch am meisten beeindruckt hat den Kurs sichtlich der Lebenswille und die Einstellung Weinbergs, niemals aufzugeben. Früh schon fielen ihm viele seiner Kindheitsfreunde in den Rücken, er musste öffentlich den gelben „Judenstern“ tragen, wurde öffentlich gedemütigt und hatte nur aufgrund seiner Religion, oder nach Ansicht der Nationalsozialisten „Rasse“, schier unendlich viele Nachteile und ein schweres Leben. Viele Rückschläge hatte er einstecken müssen, besonders als alle seine Angehörigen inklusive ihm deportiert und viele davon in Massen direkt im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurden. Dort war er eine lange Zeit, alleine mit seinem Bruder, bei jeder Jahreszeit, über Monate hinweg bei unerträglichen Temperaturen, mit Unwissenheit über den Zustand seiner Angehörigen und mit permanentem Hunger. Gequält von morgens bis abends, kahl rasiert und mit entzogener Menschenwürde, nur mit einer Nummer am Arm tätowiert, die ihn jeden Morgen beim Waschen seines Gesicht an diese Schreckenszeit erinnert.

Weinbergs Fotos sorgten für viel Nachdenklichkeit

Darauf folgten mehrere Todesmärsche, bei denen die Inhaftierten der Konzentrationslager von SS-Offizieren und Aufsehern im tiefsten Winter ohne dicke Kleidung und ohne Pausen mehrere Kilometer gehetzt wurden und zu großen Teilen wortwörtlich tot umgefallen sind. Der 96jährige hat von mehreren Anekdoten berichtet, die bedrückend zeigen wie sehr das Leben damals einer Hölle glich.

Anschließend stellten die Schülerinnen und Schüler noch einige Fragen – neben weiteren Details der damaligen Lebensverhältnisse fragten die Schülerinnen und Schüler nach privaten Dingen, wie zum Beispiel der Motivation und dem „Antrieb“ Albrechts: Warum kommt er mit 96 Jahren an Schulen und berichtet vielen Schülerinnen und Schülern von dieser ihn auch nachhaltig sehr prägenden und nahe gehenden Zeit? Seine Antwort war, dass Geschichte niemals vergessen werden dürfe und und wir aus dieser lernen sollten, damit so eine grausame Zeit nie wieder erlebt werden muss.
Albrecht Weinberg mit Gerda Dänekas, die ihn unermüdlich begleitet und unterstützt

Und nicht nur Albrecht ging es nah: Immer wieder betonten die Schülerinnen und Schüler den Respekt vor Albrechts Überlebenswillen und ihre Dankbarkeit gegenüber Albrecht und Gerda für den Besuch am Max-Windmüller Gymnasium. Eine große Ehre für uns und mit Sicherheit eine Stunde, die alle Schülerinnen und Schüler vor dem auch heute stark präsenten Antisemitismus warnen und motivieren wird, diese Geschichte weiterzuerzählen. Nur durch Erinnerungsarbeit können wir eine menschliche und soziale Zukunft formen und bilden!“