Auf den Spuren von Maurice Windmüller

Die Teilnehmer:innen des Projektes Keep the memory alive! mit Arie und Shosh Windmüller, Claudio Simon-Windmüller, Max und Herald Kornblum und Ron van Hasselt.

Lange hat es gedauert: Am 11. Oktober 2023 wird mit einem Stolperstein für Maurice Windmüller endlich der letzte Stolperstein für ein Mitglied der Familie Windmüller in Emden verlegt. Beinahe genau elf Jahre nach der Verlegung der Steine für Moritz und Jette Windmüller und ihre Kinder Salomon, Isaak, Max, Emil und Ruth wird ein Stein für Maurice Windmüller verlegt.

Maurice Windmüller mit seinen Eltern Ruth und Salomon im Jahr 1942.

Viel war bislang über Maurice Windmüller nicht bekannt: Der Sohn von Max Windmüllers älterem Bruder Salomon Windmüller und seiner Frau Ruth Windmüller-Kornblum wurde am 14. Juli 1942 in Groningen geboren und nach seinem 1937 im niederländischen Exil verstorbenen Großvater Moritz Windmüller benannt. Bislang nahm die Familie Windmüller an, dass der kleine Maurice gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Großmutter Jette vom niederländischen Durchgangslager Westerbork im Dezember 1942 deportiert worden war – das jedenfalls glaubte auch Isaak Windmüller, der Vater von Yaron und Arie Windmüller.

Moritz Windmüller, vermutlich kurz vor seinem Tode 1937.

Doch im Zuge der Recherchen anlässlich der geplanten Stolpersteinverlegung traten immer mehr Informationen zutage, die ein ganz anderes Bild zeichnen: Entgegen der bisherigen Annahmen wurde Maurice erst im April 1943 nach Westerbork gebracht, wie die Dokumente des Lagers eindeutig belegen. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Eltern und seine Großmutter bereits umgebracht worden waren: Während Ruth am 30.11.1942 deportiert und am 3.12.1942 umgebracht wurde, kam Großmutter Jette am 12.12.1942 nach Auschwitz, wo sie drei Tage später vergast wurde. Salomon, der mit seiner Frau in das Vernichtungslager gebracht worden war, starb am 31.3.1943.

Maurice mit seiner Großmutter Jette im Jahr 1942.

Maurice war also eine Waise, als er am 29.4.1943 in das Durchgangslager Westerbork gebracht wurde. Von dort wurde Maurice tatsächlich nach Auschwitz deportiert – allerdings erst am 8.2.1944. Dort wurde das Kind am 11.2.1944 ermordet., wie die Lagerbürokratie der SS zeigt.

Fast achtzig Jahre nach dem Tod von Maurice Windmüller stellen sich also viele Fragen: Wo hielt sich das Kind auf, während seine Eltern schon inhaftiert waren? Wer hat sich um das noch nicht einmal ein Jahr alte Baby gekümmert? Wieso überlebte Maurice als Waisenkind knapp 10 Monate im Durchgangslager – eine ungewöhnlich lange Zeit, in sich ebenfalls jemand um den Säugling gekümmert haben muss.

Gemeinsam mit Arie und Shosh Windmüller mit Claudio Windmüller-Simon reisten Mitte Juni siebzehn Max-Schüler:innen des Projektes „Keep the memory alive!“ mit ihren Lehrern Kai Gembler und Jochen Scheuermann in die Niederlande, um Antworten auf diese vielen Fragen zu finden. Zwei Tage suchte die Gruppe nach neuen Spuren, die vor allem von Ron van Hasselt zutage gefördert worden sind. Der Historiker lebt in Groningen und setzt sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte der Juden der Stadt auseinander. In seinem neuen Buch „Uitgesloten“ hat van Hasselt Maurice‘ Lebensgeschichte zu rekonstruieren versucht – und dabei entdeckt, dass Maurice einige Monate bei Leo Weersing versteckt war, bevor er nach Westerbork kam. Dort gab es verschiedene Versuche, ihn zu retten u.a. von Clara Asscher-Pinkhoff, die das Waisenhaus in Westerbork leitete. Und auch Heinz Kornblum, der Bruder von Salomon Windmüllers Frau Ruth, spielte eine gewichtige Rolle im Leben von Maurice, wie Ron van Hasselt herausgefunden hat.

Erik Weersing zeigt Arie Windmüller bislang unbekannte Fotos von Maurice.

In der Synagoge von Groningen trafen die Windmüllers und die Max-Delegation neben Ron van Hasselt auf Erik Weersing, den Sohn von Leo Weersing, der bislang unbekannte Fotografien an Arie Windmüller übergab. Außerdem waren Heinz Kornblums Sohn Max Kornblum und dessen Enkel Herald Kornblum anwesend. Allesamt begegneten sich zum ersten Mal – eine sehr bewegende Zusammenkunft. Nach dem Besuch in der Synagoge und einen Rundgang durch das jüdische Groningen besuchte die Gruppe gemeinsam den jüdischen Friedhof Groningens, auf dem sich auch ein Erinnerungsort für Salomon, Ruth und Maurice Windmüller findet.

Besuch in Westerbork: Projektteilnehmerin Deike Miege mit Ron van Hasselt und Shosh und Arie Windmüller.

Im Anschluss besuchte die Max-Gruppe mit den Windmüllers und van Hasselt das ehemalige Lager Westerbork, der letzten Station für Maurice und seine Familie vor Auschwitz. Nach einer Führung über das Gelände warf ein Besuch bei Guido Abuys, dem Archivar der Gedenkstätte, neue Fragen auf, die jetzt zu klären sind – hoffentlich bis zur Verlegung des Stolpersteins für Maurice Windmüller.

Einen Einblick in diese besondere Reise geben die Berichte der Teilnehmer:innen, die hier zu finden sind:

I. Besuch der Synagoge

II. Ron van Hasselt und seine Ergebnisse zur Geschichte der Familie Windmüller

III. Der jüdische Friedhof von Groningen

IV. Besuch der Gedenkstätte Westerbork

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Das Projekt Grenzüberschreitendes Gedenken wird im Rahmen des Interreg-Programms Deutschland- Nederland mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert.